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Rezension zu Itô Hiromis "Hundeherz"

In der japanischen Gegenwartsliteratur gibt es nicht wenige Texte, die sich mit dem Verhältnis zwischen Menschen und Tieren beschäftigen. Von buddhistischer Warte aus schrieb Sôkyû Gen’yû in Das Fest des Abraxas (2001; dt. 2007) über die engagierte und geduldige Pflege des altersschwachen Hundes Namu durch die Mönche eines Tempels. Als Erzählung des Karmischen, in der ein Hund als Schicksalsbegleiter für mehrere menschliche Bezugspersonen dient, wäre Seishû Hases Shônen to inu (2020; Tamons Geschichte. Roman einer Reise nach Süden, dt. 2022, besprochen in literaturkritik.de 07/2022) zu nennen. Itô Hiromis (*1955) im Original 2013 erschienenes Buch Inugokoro lässt sich mit Gen’yûs literarischer Repräsentation eines im Buddhismus angelegten Akzeptanzdenkens vergleichen. Die Auffassung, dass man das Leben am besten nach dem Motto jinsei aru ga mama ni ikiru („Annehmen der Dinge, wie sie sind“) gestaltet, ist in Japan verbreitet. Itô belegt in ihren Aufzeichnungen zudem die Stärke des „Lernens durch Beobachtung“ (jap. kengaku), was miteinschließt, dass der Betrachter den forschend-forensischen Blick nie abwendet – bis zuletzt, wenn sich die Materie aufzulösen beginnt.   


Hundeherz berichtet – mit autobiographischem Hintergrund – von einer Autorin und Mutter von drei Töchtern, die in mindestens zwei Sphären lebt: Sie wechselt zwischen dem Familienwohnsitz bei San Diego und zwei japanischen Aufenthaltsorten: Tôkyô / Kumamoto (Heimat der Eltern im Süden des Landes). In Kalifornien leistet Take, ein weibliches Exemplar der Rasse „Deutscher Schäferhund“ der Familie Gesellschaft. Thema des Texts, den man als Tierliteratur lesen kann wie auch als Memoiren einer älteren Schriftstellerin, ist das Alltagsleben der Hauptfigur in Interaktion mit Take. Andere Tiere, darunter ein bissiger Papagei und die kleineren Hunde Nico und Louis, spielen ebenfalls eine Rolle. Manches Mal überlegt die Erzählerin, inwieweit sich Menschen und Tiere ähneln bzw. wirft die Frage auf, ob die Spezies tatsächlich über so ausgeprägte Gemeinsamkeiten in ihrer Psychologie verfügen oder ob es nur ihre eigene Interpretation sein mag, die Verhaltungsmuster als deckungsgleich wahrnimmt. 


Lisette Gebhardt für literaturkritik.de, 10. Juni 2024




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