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Rezension zu Jan-Philipp Sendkers „Akikos stilles Glück“

"Immer wieder wird Japan als Schauplatz westlicher Literatur gewählt und japanische Figuren werden zu Sprachrohren ihrer Schöpfer. Übertreiben es die Autoren mit landestypischen Klischees und allzu wirklichkeitsfremden Projektionen im Hinblick auf ein fernes Inselreich, bezeichnet man die Texte als exotistisch. Beispiele für die Japanrezeption der deutschen Literatur im 21. Jahrhundert sind u.a. Franka Potentes Stories aus Japan (2010; besprochen in literaturkritik.de 10/2010), Milena Michiko Flašars Herr Kato spielt Familie (2018; besprochen in literaturkritik.de 06/2018) und Oben Erde, unten Himmel (2023; besprochen in literaturkritik.de 07/2024) oder Christine Wunnickes Der Fuchs und Dr. Shimamura (2015; besprochen in literaturkritik.de 08/2015). Während der geniale „Fuchs“ als literarische Adaption des Japanthemas einen in intellektueller Hinsicht ebenso wie in seiner Sprachlichkeit außerordentlich gelungenen Text darstellt, steht Jan-Philipp Sendkers Akikos stilles Glück in einer Tradition mit anderen J-Content-Verwertungen, in denen man japanische Themen und Motive in einem deutschen Roman umsetzt, ohne dass damit unbedingt mehr erzählerischer Raum oder poetische Dichte gewonnen wäre [...]


Sendkers Text behandelt die Selbstfindung einer einsamen, unsicheren Protagonistin, die es durch den offenbar „heilenden“ Kontakt zu einem noch problematischeren Charakter endlich wagt, ihren eigenen Weg zu gehen. Viel Japanisches wird dabei berichtet:

Sushi-Restaurants (kaiten sushi), Convenient Stores (konbini), Kneipen (izakaya) und die typischen Speisen, das schwierige Verhältnis der Schüler untereinander, das zu Mobbing (ijime) führen kann, die Anonymität der Metropole Tôkyô, das Phänomen des sozialen Rückzugs (hikikomori), eine für typisch japanisch erachtete Kultur des Schweigens, Fatalismus (shikata ga nai), „Mietmenschen“ und, wen wundert es, Geisterbegegnungen. Die reizvolle Enigmatik, die japanische Texte oft in Form einer „leeren Mitte“ auszeichnet und die durch erzählerische Auslassung mit metaphorischen Anspielungen ihre Wirkkraft entfaltet, kann der Autor nur bedingt nachstellen."


Lisette Gebhardt für literaturkritik.de, 15. Oktober 2024




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